325
Roland, als kaiserliches Zeugnis, daß dem Rat der Stadt freie Gerichts-
barkeit verliehen war. Kaufhäuser reckten namentlich am Markte ihre
überkragenden Geschosse empor, und in den Windenluken verschwanden
Ballen und Fässer mit den mannigfaltigsten Waren, die unter dem Schutz
der Hansa eingebracht waren. Der Bürgermeister zog an der Spitze seiner
Bürger für das Wohl der Stadt oder zum Schutz befreundeter .Städte
in den Kamps; von dem Krummstabe machte er sich frei, und selbstbewußt
hob er das Haupt empor.
5. Das berühmteste und beredteste Zeugnis eines freien und tüchtigen
Bürgertums liefern in Hildesheim die reichgeschmückten Holzhäuser des
15. und 16. Jahrhunderts, unter denen das Knochenhauer-Amtshaus wie
ein König dasteht. Es ist ein Wunderwerk der Holzarchitektur und sicher
das schönste Holzhaus der Welt. Das war eine stolze und reiche Zunft,
die sich ein solches Gebäude als Kauf- und Gesellschaftshaus errichten
konnte. Die vollendeten Schnitzereien dieses Hauses, die Friese und Schwellen,
die Konsolen und Balkenköpfe, die stilvoll und stellenweise launig bemalten
Windbretter, alles gestaltet sich an dem Hause zu einem fesselnden Bilde,
von dem sich der Beschauer nur schwer trennen kann. Alle die schmucken
Holzhäuser aber, von denen man über 500 zählt, offenbaren uns, wie
die Alten bedacht waren, ihr Heim zu schmücken, wie sie Freude hatten
an schönen Formen und Farben.
6. Die Kriegssurie, Brand und Pest haben auch Hildesheim nicht
verschont, und schwere Opfer sind ihm auferlegt worden, besonders in der
von 1518—25 wütenden Stiftsfehde und später im 30jährigen Kriege.
Auch die Einführung der Reformation, 1542, ging mit verderblichen Begleit-
erfcheinungen vor sich; die trutzige Romfeste, wo der eiserne Bürgermeister
Wildefüer zu dem Bischof stand, konnte nur der Gewalt erliegen. Luther
mußte seinen Freund Bugenhagen senden; und der Tod des widerstrebenden
Stadthauptes kam ihm zur Hilfe, daß er das Werk vollendete.
Zu bewundern ist es, daß trotz der schweren Zeiten so viel von dem
schönen Alten gerettet worden ist, zum Teil unschätzbare Kunstdenkmüler,
die jetzt Hildesheim mit an die Spitze derjenigen Städte stellen, wo inan
noch in ungetrübter Freude das Mittelalter studieren kann, wo sich noch
ein klares Bild von dem Leben und Streben unserer Vorfahren ergibt.
Als das nordische Nürnberg und als die Perle Niedersachsens preist man
Hildesheim, das nach der Wiederaufrichtung des Deutschen Reiches auch
mächtig hinausgewachsen ist über Wälle und sonstige Schranken, das heute,
mit seinen 50 000 Bewohnern, in einer reichen Gegend gelegen, die man
die Kornkammer Hannovers nennt, und lieblich umkränzt von waldigen
Hügeln, ein blühendes Gemeinwesen darstellt.
7. Papst Eugen Iii. nannte um die Mitte des zwölften Jahrhunderts
Hildesheim „eine berühmte und edle Stadt des Deutschen Reiches". Das
TM Hauptwörter (50): [T9: [Tempel Stadt Kirche Säule Zeit Gebäude Bau Mauer Haus Dom], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke], T13: [Kirche Dom Zeit Bau Denkmal Kunst Tempel Bild Werk Stadt], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit]]
TM Hauptwörter (200): [T0: [Kirche Haus Gebäude Stadt Straße Säule Platz Fenster Seite Palast], T142: [Stadt Dorf Mauer Haus Burg Straße Kirche Schloß Graben Zeit], T31: [Jahrhundert Schweden Norwegen Dänemark König Ende Jahr Anfang England Mitte], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T38: [Weser Elbe Hannover Land Stadt Lüneburg Leine Nordsee Aller Bremen]]
Extrahierte Personennamen: Roland Kaufhäuser Eugen_Iii Eugen
475
Ich schreibe Ihnen dies, geliebter Vater, damit Sie mit Beruhigung
an uns denken. Ihrem freundlichen Andenken empfehle ich meinen Mann,
auch unsere Kinder alle, die dem ehrwürdigen Großvater die Hände küssen,
und ich bin, und ich bleibe, bester Vater, Ihre dankbare Tochter
Luise.
266. An die Königin von Preußen.
■ Zur Feier ihres Geburtstages, den 10. März 1810.
1. Erwäg' ich, wie in jenen Schreckenstagen
still deine Brust verschlossen, was sie litt,
wie du das Unglück mit der Grazie Tritt
aus jungen Schultern herrlich hast getragen;
2. wie von des Kriegs zerrißnem Schlachtenwagen
selbst oft die Schar der Männer zu dir schritt,
wie trotz der Wunde, die dein Herz durchschnitt,
du stets der Hoffnung Fahn' uns vorgetragen:
3. O Herrscherin, die Zeit dann möcht' ich segnen!
Wir sahn dich Anmut endlos niederregnen —
Wie groß du warst, das ahneten wir nicht!
4. Dein Haupt scheint wie von Strahlen mir umschimmert,
du bist der Stern, der voller Pracht erst flimmert,
wenn er durch finstre Wetterwolken bricht!
Heinrich v. Kleist.
267. Andreas Hofer.
\. Zu Mantua in Banden
der treue Hofer war;
in Mantua zum Tode
führt' ihn der Feinde Zchar.
Ts blutete der Brüder Herz,
ganz Deutschland, ach, in Schmach
und schmerz,
mit ihm das Land Tirol!
2. Die Hände auf dem Rücken,
Andreas Hofer ging
ntit ruhig festen schritten;
ihm schien der Tod gering,
der Tod, den er so manches Mal
vom Zfelberg geschickt ins Tal
im heil'gen Land Tirol.
3. Doch als aus Aerkergittern
im festen Mantua
die treuen Waffenbrüder
die Hand' er strecken sah,
da rief er laut: „Gott sei mit
euch,
mit dem verratnen Deutschen Reich
und mit dem Land Tirol!"
4- Dem Tambour will der Wirbel
nicht unterm Schlägel vor,
als nun Andreas Hofer
schritt durch das ffnftre Tor.
Andreas, noch in Banden frei,
dort stand er fest auf der Bastei,
der Mann vom Land Tirol.
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
TM Hauptwörter (100): [T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T67: [Kaiser Türke König Jahr Ungarn Heer Land Friedrich Kreuzzug Jerusalem], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
TM Hauptwörter (200): [T167: [Fest Tag Kirche Jerusalem Spiel Stadt Hofer Volk Jahr Zeit], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute]]
Extrahierte Personennamen: Luise Heinrich_v Heinrich Andreas_Hofer Andreas_Hofer Andreas_Hofer Andreas
Extrahierte Ortsnamen: Mantua Mantua Deutschland Mantua
478
so nicht zurückkehren würden. Und die Franzosen sagten das selbst.
Wenn sie sonst mit ihrem Kaiser in den Krieg gezogen waren, hatten
ihre Kosse gewiehert, so oft sie aus dem Stall geführt wurden, da-
mals hingen sie traurig die Köpfe; sonst waren die Krähen und
Haben dem Heere entgegengeflogen, damals begleiteten die Vögel
der Walstatt das Heer nach Osten, ihren Fraß erwartend.
4. Aber was jetzt zurückkehrte, das kam kläglicher, als einer
im Volke geträumt hatte. Es war eine Herde armer Sünder, die
ihren letzten Gang angetreten hatten, es waren wandelnde Leichen
Ungeordnete Haufen, aus allen Truppengattungen und Nationen zu-
sammengesetzt, ohne Kommandoruf und Trommel, lautlos wie ein
Totenzug nahten sie der Stadt. Alle waren unbewaffnet, keiner be-
ritten, keiner in vollständiger Montur, die Bekleidung zerlumpt und
unsauber, aus den Kleidungsstücken der Bauern und Frauen ergänzt.
Was jeder gefunden, hatte er an Kopf und Schultern gehängt, um
eine Hülle gegen die markzerstörende Kälte zu haben: alte Säcke,
zerrissene Pferdedecken, Teppiche, Schals, frisch abgezogene Häute von
Katzen und Hunden; man sah Grenadiere in großen Schafpelzen, Küras-
siere, die Weiberröcke von buntem Fries wie spanische Mäntel trugen.
5. Nur wenige hatten Helm und Tschako, jede Art Kopftracht,
bunte und weiße Nachtmützen, wie sie der Bauer trug, tief in das
Gesicht gezogen, ein Tuch oder ein Stück Pelz zum Schutze der
Ohren darübergeknüpft, Tücher auch über den untern Teil des Ge-
sichts. Und doch waren der Mehrzahl Ohren und Nasen erfroren
und feuerrot, erloschen lagen die dunkeln Augen in ihren Höhlen.
Selten trug einer Schuh oder Stiefel; glücklich war, wer in Filz-
socken oder in weiten Pelzschuhen den elenden Marsch machen
konnte. Vielen waren die Füße mit Stroh umwickelt, mit Decken,
Lappen, dem Fell der Tornister oder dem Filz von alten Hüten.
Alle wankten, auf Stöcke gestützt, lahm und hinkend. Auch die
Garden unterschieden sich von den übrigen wenig, ihre Mäntel waren
verbrannt, nur die Bärenmützen gaben ihnen noch ein militärisches
Ansehen. So schlichen sie daher, Offiziere und Soldaten durchein-
ander, mit gesenktem Haupt, in dumpfer Betäubung. Alle waren
durch Hunger und Frost und unsägliches Elend zu Schreckensge-
stalten geworden.
6. Tag für Tag kamen sie jetzt auf der Landstraße heran, in
der Regel, sobald die Abenddämmerung und der eisige Winternebel
über den Häusern lag. Dämonisch erschien das lautlose Erscheinen
der schrecklichen Gestalten, entsetzlich waren die Leiden, welche sie
mit sich brachten; die Kälte in ihren Leibern sei nicht fortzubringen,
ihr Hunger sei nicht zu stillen, behauptete das Volk. Wurden sie
TM Hauptwörter (50): [T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
TM Hauptwörter (100): [T75: [Haar Auge Kopf Hand Gesicht Mann Farbe Mantel Fuß Frau], T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat]]
TM Hauptwörter (200): [T123: [Haar Mann Kopf Frau Hand Fuß Kleidung Mantel Hut Schuh], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T2: [Schiff Stadt Tag Nacht Sturm Feind Ufer Meer Land Feuer], T125: [Haus Stein Fenster Dach Holz Stroh Winter Erde Wand Wohnung]]
505
blick das Haupt beugte, als es vorwärts ging, als wäre er in der
Kirche. Und was die Religion anbetrifft, wer war das, glaubt ihr
wohl, der dort in den Kampf mit hineinstürzte im weißen Haar, mit
fliegenden Rockschößen? Das war der Divisionsprediger, eine
mächtige Flasche in der einen und ein Gebetbuch in der andern
Hand. Der gute Mann, der da im Kugelregen dahineilte, war ganz
außer Atem und über und über mit Schmutz bespritzt, denn, wie er
mir keuchend erzählte, war sein Pferd ihm unter dem Leibe er-
schossen worden. Als ich ihn wiedersah, da saß er hinter einer
Mauer im Dorfe unter einer Gruppe hingestreckter Krieger und
erhob unter dem Brüllen der Geschütze seine Stimme im Gebete
zu Gott. Arcbibald Forbes.
283. König Wilhelm an die Königin Augusta über die
Schlacht bei Sedan.
1. Depesche.
Vor Sedan, 2. September x/2 2 Uhr nachmittags.
Die Kapitulation, wodurch die ganze Armee in Sedan kriegsgefangen,
ist soeben mit dem General Wimpffen abgeschlossen, der an Stelle des
verwundeten Mac Mahon das Kommando führt. Der Kaiser hat nur
sich selbst mir ergeben, da er das Kommando nicht führt und alles der
Regentschaft in Paris überläßt. Seinen Aufenthaltsort werde ich be-
stimmen, nachdem ich ihn gesprochen habe. Welch eine Wendung durch
Gottes Führung! Wilhelm.
2. Brief.
Vendresse, südlich Sedan, 3. September 1870.
Du kennst nun durch meine Telegramme den ganzen Umfang des
großen geschichtlichen Ereignisses, das sich zugetragen hat. Es ist wie ein
Traum, selbst wenn man es Stunde für Stunde hat abrollen sehen.
Wenn ich mir denke, daß nach einem großen, glücklichen Kriege ich
während meiner Regierung nichts Ruhmreicheres mehr erwarten konnte
und ich nun diesen weltgeschichtlichen Akt erfolgt sehe, so beuge ich mich
vor Gott, der allein mich, mein Heer und meine Mitverbündeten aus-
ersehen hat, das Geschehene zu vollbringen, und uns zu Werkzeugen seines
Willens bestellt hat. Nur in diesem Sinne vermag ich das Werk aufzu-
fassen, um in Demut Gottes Führung und seine Gnade zu preisen.
...........Ich bevollmächtigte Moltke zum Unterhändler und gab
Bismarck auf, zurückzubleiben, falls politische Fragen zur Sprache kämen,
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T51: [Armee General Schlacht Franzose Truppe Mann Feind Heer Metz Preußen], T38: [Friedrich Wilhelm König Kaiser Iii Prinz Jahr Preußen Vater Sohn], T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch]]
TM Hauptwörter (200): [T141: [Armee Metz General Paris Schlacht August Mac Franzose Mahon Festung], T35: [König Bismarck Wilhelm Kaiser General Minister Stein Berlin Graf Moltke], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind]]
Extrahierte Personennamen: Arcbibald_Forbes Wilhelm Wilhelm Bismarck
Extrahierte Ortsnamen: Sedan Sedan Sedan Mahon Paris Gottes Sedan Gottes
506
ritt dann zu meinem Wagen und fuhr hierher, auf der Straße überall
von stürmischen Hurras der heranziehenden Truppen begrüßt, die überall
die Volkshymne anstimmten. Es war ergreifend. Alles hatte Lichter an-
gezündet, so daß man zeitweise in einer Illumination fuhr. Um 11 Uhr
war ich hier und trank mit meiner Umgebung auf das Wohl der Armee,
die solches Ereignis erkämpfte.
Da ich am Morgen des 2. noch keine Meldung von Moltke über
die Kapitulationsverhandlnngen hatte, die in Donchery stattfinden sollten,
so fuhr ich verabredetermaßen nach dem Schlachtfelde um 8 Uhr früh
und begegnete Moltke, der mir entgegenkam, um meine Einwilligung zur
vorgeschlagenen Kapitulation zu erhalten, und mir zugleich anzeigte, daß
der Kaiser früh 5 Uhr Sedan verlassen habe und auch nach Donchery
gekommen sei. Da derselbe mich zu sprechen wünschte und sich in der
Nähe ein Schlößchen mit Park befand, so wählte ich dies zur Begegnung.
Um 10 Uhr kam ich auf der Höhe vor Sedan an; um 12 Uhr erschienen
Moltke und Bismarck mit der vollzogenen Kapitulationsurkunde; um 1 Uhr
setzte ich mich mit Fritz in Bewegung, von der Kavalleriestabswache be-
gleitet. Ich stieg vor dem Schlößchen ab, wo der Kaiser mir entgegen-
kam. Der Besuch währte eine Viertelstunde; wir waren beide sehr bewegt
über jdieses Wiedersehen. Was ich alles empfand, nachdem ich noch vor
drei Jahren Napoleon auf dem Gipfel seiner Macht gesehen hatte, kann
ich nicht beschreiben.
Nach dieser Begegnung beritt ich von halb 3 bis halb 8 Uhr die
ganze Armee von Sedan. Den Empfang der Truppen, das Wiedersehen
der stark mitgenommenen Garden, das alles kann ich Dir heute nicht
beschreiben; ich war tief ergriffen von so vielen Beweisen der Liebe und
Hingebung.
Nun lebe wohl! Mit bewegtem Herzen am Schlüsse eines solchen
Briefes Wilhelm.
284. Die Fahne der Einundsechziger.
\. Vor Dijon war's; — doch eh' ich's euch erzähle,
knüpf' einer doch die Binde mir zurecht,
mich schmerzt der Arm, sie sitzt wohl schlecht;
so — so! Nun euer Herz sich stähle:
Vor Dijon war's; die j?äffe der Vogesen
bedrohte Garibaldis bunte 5char,
Bourbaki kam von der Loire,
das hartbedrängte Belfort zu erlösen.
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T51: [Armee General Schlacht Franzose Truppe Mann Feind Heer Metz Preußen], T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod]]
TM Hauptwörter (200): [T17: [Uhr Feind Truppe General Schlacht Armee Napoleon Kampf Angriff Stellung], T35: [König Bismarck Wilhelm Kaiser General Minister Stein Berlin Graf Moltke], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T141: [Armee Metz General Paris Schlacht August Mac Franzose Mahon Festung], T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff]]
Extrahierte Personennamen: Moltke Fritz Napoleon Wilhelm
Extrahierte Ortsnamen: Donchery Sedan Donchery Sedan Sedan Dijon Dijon Bourbaki
518
die jungen Prinzen durch Handkuß darbringen. Die ganze übrige
Versammlung huldigt dem Kaiser durch Vortreten und tiefe Ver-
beugung, die der Monarch durch freundliches Kopfneigen erwidert.
Als Kaiser Wilhelm das französische Königsschloß verläßt, sinkt
die Hohenzollernfahne nieder, und die neue deutsche Kaiserfahne
rauscht in die Höhe. — Während der ganzen Kaiserfeier aber
donnerten die deutschen Kanonen gegen Frankreichs Hauptstadt,
Robert König.
289. Kaiser Wilhelms I. Lebensabend.
1. Auch von eines Königs Leben gilt das alte Wort des Psalmisten:
„Wenn es köstlich gewesen ist, so ist es Mühe und Arbeit gewesen."
Aber bei aller Arbeit und Mühe, in allen Kämpfen und schmerzlichen
Erfahrungen ist doch gerade das Alter Wilhelms I. an besonderen Gnaden-
erweisungen und freudigen Ereignissen so reich gewesen, daß wir wohl
ein Recht haben, von einem „goldenen Lebensabend" des Kaisers zu reden.
Bis über das vollendete neunte Jahrzehnt hinaus hat er sich einer fast
wunderbaren Rüstigkeit erfreuen dürfen. Was uns von Moses berichtet
wird: „Seine Augen waren nicht dunkel geworden, und seine Kraft war
nicht verfallen", das hat sich auch 'an ihm erfüllt. Fast unberührt von
den Beschwerden und Gebrechen des Alters und, was mehr sagen will,
frei von jeder, dem Alter oftmals eigenen Wunderlichkeit und ohne jene
mißmutige und mürrische Verdrossenheit, die auf der einsamen Höhe des
Thrones sich so leicht einstellt, hat er bis zuletzt mit ungeschwächter Kraft
die schweren und ernsten Pflichten seines hohen Berufs erfüllen können.
An den heilkräftigen Quellen von Wiesbaden, Ems und Gastein, zu denen
er alljährlich mit großer Regelmäßigkeit wiederkehrte, fand er immer neue
Erholung von den Anstrengungen der Wintermonate. Eine besondere
Erholung, die sich der Kaiser bis in die letzten Jahre gegönnt hat, und
die ihm immer eine besondere Freude bereitete, waren die Jagdausflüge,
die er, von einer auserwählten Weidmannsschar umgeben, unternahm, um
in freier Bewegung frische Waldluft zu atmen.
2. Auch in seiner Familie hat Gottes Gnade den Kaiser gerade in
den letzten Jahren seines Lebens viel Glück und Freude erleben lassen.
Mit besonderer Teilnahme verfolgte der Kaiser bis an sein Ende die zu
großen Hoffnungen berechtigende Entwicklung der Kinder des kronprinz-
lichen Paares. In dem Feuereifer, mit welchem der junge Prinz Wilhelm,
unser jetziger Kaiser, seinen militärischen Pflichten oblag, erkannte der
greise Held das Bild seiner Jugend wieder. Darum gereichte ihm auch
die Vermählung dieses seinem Herzen besonders nahestehenden Enkels mit
der jugendlichen Prinzessin Auguste Viktoria von Schleswig-Holstein zur
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T47: [Friedrich Wilhelm Kaiser König Iii Kurfürst Jahr Preußen Brandenburg Johann], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T38: [Friedrich Wilhelm König Kaiser Iii Prinz Jahr Preußen Vater Sohn], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
TM Hauptwörter (200): [T61: [Wilhelm Friedrich Prinz König Luise Jahr Königin Gemahlin Prinzessin Kaiser], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T151: [König Volk Kaiser Reich Fürst Land Gott Wilhelm Deutschland Frieden], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht]]
Extrahierte Personennamen: Wilhelm Robert_König Wilhelms_I. Wilhelms_I. Wilhelm Auguste_Viktoria
Extrahierte Ortsnamen: Frankreichs Wiesbaden Gottes Schleswig-Holstein
543
Hub als man am Abend den Toten fand,
da hielt er noch krampfhaft die Waffe umspannt.
So lag er im Busch, und dicht daneben
lag der, für den er gewagt sein Leben.
(D Heldenblut! fürs Vaterland
vergossen im heißen Wüstensand!
(D Heldenleben, so groß und hehr,
getreu bis zum Tode für Deutschlands Thr',
geopfert im heiligen Dienste der Pflicht:
wein Vaterland, vergiß es nicht!
Heinrich Loh mann.
304. Im Kampfe mit den Hereros.
1. Schon vor Mitternacht rückten wir weiter vor, dem Feinde
zu. Es wurde gesagt, daß unsere Abteilung etwa gegen Morgen
auf den Feind stoßen würde. Voran ritten als Kundschafter die
Wittboys. Dann kam unsere Kompagnie. Ein Teil von ihr war
abgesessen und suchte zur Seite des Weges im Busch vorwärts zu
kommen; der andere Teil ritt noch auf dem Wege. Ich ritt im
dritten Zug. Hinter uns, dicht aufgeschlossen, fuhr die Artillerie.
Wir marschierten möglichst lautlos; aber es gab doch allerlei Lärm:
Schnauben der Pferde, Stoßen der Räder, ein ungeduldiger zorniger
Ruf, ein Peitschenhieb. Mich fror heftig im Sattel. Damit ich
nachher, wenn ich schießen sollte, nicht steife Finger hätte, legte ich
die Zügel über den Patronengurt und steckte die Hände in die
Taschen.
Endlich graute der Morgen; und bald schossen am hellgrauen
Himmel von unten herauf zarte, rosige Streifen Lichts gegen die
Himmelshöhe. Rasch wurden die Farben tiefer, fröhlicher und
stärker. Es jauchzte das Rot seiner Fülle, und es freute sich das
Blau seiner reinen Schönheit. Es kam herauf und dehnte sich und stieg
auf wie eine neue Welt, die wohl tausendmal schöner war als die
alte. Und dann kam groß und klar die Sonne, wie ein großes,
ruhiges, weitoffenes Auge anzusehn.
2. Um diese Tageszeit sollten wir nach den Aussagen unserer
Patrouillen den Feind erreichen. Aber er war nicht da. Da dachte
ich mit vielen anderen, daß es wieder nichts würde, und ärgerte mich
^ehr. Doch hörten wir bald von rechts herüber Kanonendonner.
Es wurde acht, es wurde neun. Der Busch wurde so eng, daß die
Ausgeschwärmten nicht weiter können. Sie kamen heraus und
zogen sich auf dem Wege zusammen. Die Sonne stieg und stieg;
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann]]
TM Hauptwörter (200): [T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T121: [Feind Reiter Pferd Heer Mann Flucht Lager Soldat Seite Reiterei], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T13: [Baum Wald Feld Wiese Garten Gras Winter Mensch Sommer Haus]]
o47 — <r
und schossen gut. Da vurben sie stiller. Die Offiziere stand ?
und gingen wieder in die Mitte des Lagers. Gleich darauf k. ■
Befehl, daß das Lager zweihundert Meter vorrücken sollte
noch im Vorbeilaufen, wie sie anfingen, die Verwundeten und ;
in den Wagen zu heben. Dann lief ich wieder nach vorne
Schützenlinie an meinen Platz.
6. Nun, da ich wieder lag, fühlte ich, wie sehr ich aus lör 1;
war. Ein Bitten und Klagen und Quälen um Wasser ging orc-,;
die Leihe. Von hinten her klang das heisere Brüllen
durstenden Tiere. Ich glaube, es war um diese Zeit, nachmiungs
vier Uhr, kein Tropfen Wasser mehr im ganzen Lager, a Ger f
die Verwundeten. Da wurde die ganze dünne Front entlang de
daran gesetzt, Gewehr, Geschütz und Maschinengewehr, i ■ wildes
Schnellfeuer prasselte gegen den müde werdenden Feine. J . u
ging es von Mann zu Mann: Wir wollen stürmen. Nun gälte <h
Ruf. Niemals in meinem Leben vergesse ich ihn. Mit wilum
Schreien, mit verzerrten Gesichtern, mit trockenen, brennenden A\i g n
■prangen wir auf und stürmten vorwärts. Die Feinde sprang ,
schossen und stoben mit lautem Schreien zurück. Wir liefen ° . •
Unterbrechung schreiend, fluchend, 'schießend bis zu der ziem
großen Lichtung, auf der die heißbegehrten Wasserlöcher lagen, : t
gleich darüber weg bis an den jenseitigen Rand, wo der Busch wied
anfing.
t j # . ■
7. Das ganze Lager: die schweren Wagen mit den langen
Ochsenreihen, die Hunderte von Pferden, die Lazarettwagen mit
Ärzten, Verwundeten, Toten, das Hauptquartier: alles kam hinterher
und lagerte sich auf der Lichtung. Wir aber lagen rund um sie
am Rande des Buschfeldes und wehrten die Feinde, die bald hh '
bald da in wilden Haufen mit lautem Schreien durch den dies fee
Busch heranbrachen. — Und nun kletterten sie hinter uns mit Feld
kesseln in die zehn Meter tiefen Wasserlöcher und füllten die E‘
die an zusammengebundenen Zügeln herabgelassen wurden, , ■
fingen an, Mensch und Tiere zu tränken. Wenn je zehn Pren
wenig bekommen hatten, war das Wasserloch leer. Es war n ^
zehn oder zwölf Lödher an dieser Stelle.
8. Die Sonne ging unter. Einige von uns schlichen 1
hieben mit ihren Seitengewehren Buschwerk ab und mach
Kraal vor uns. Die Artilleristen stellten hinter uns die Ma
gewehre und Geschütze auf und knieten daneben. Abg<
Kameraden krochen con Mann zu Mann und gaben uns .eit
Wasser. Hinter uns im Lager tränkten sie im Dunkeln di
1 ringenden B fen Tiere-; an den Lazarettwagen gß
>' .'••• ' 35" ~
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
TM Hauptwörter (100): [T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T121: [Feind Reiter Pferd Heer Mann Flucht Lager Soldat Seite Reiterei], T89: [Wasser Fluß Quelle Bach See Erde Boden Brunnen Land Ufer], T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff], T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind]]
458
die Wirtschaft des Landmannes verwüstet. Sein Knecht hatte vielleicht
einige Jahre die Schläge der fremden Soldaten ertragen, zuletzt lief er
selbst unter die, welche schlugen. Die Gespanne wurden vom Pfluge
gerissen, die Herden von der Weide geholt und dadurch die Bestellung der
Felder oft unmöglich gemacht.
3. Wie jammervoll und hilflos aber auch seine Lage war, in der
ersten Hälfte des Krieges war auch das Schrecklichste noch Verhältnis-'
müßig erträglich. Denn noch hielt einige Mannszucht wenigstens die
regelmäßigen Heerhaufen zusammen, und ein und das andre Jahr verlief
ohne große Truppenzüge. Die Wirkungen, die ein solches Leben auf die
Seelen der Landleute ausübte, waren sehr traurig. Eine bebende, klägliche
Furcht umzog lähmend die Herzen. Aber auch Trotz und wilde Ver-
zweiflung bemächtigte sich der Seelen. Die sittliche Verwahrlosung nahm
im Landvolke furchtbar überhand. Die Gewohnheiten und Krankheiten der
durchziehenden Heere blieben zurück, selbst wenn die Räuber aus dem ver-
wüsteten und halb zerstörten Dorf abzogen. Das Branntweintrinken wurde
ein gewöhnliches Laster. Die Achtung vor fremdeirmigentum verschwand.
Der Landmann begann zu stehlen und zu rauben wie der Soldat. Be-
waffnete Haufen rotteten sich zusammen, zogen über die Landesgrenze in
andere Dörfer und entführten, was sie bedurften. Sie lauerten den
Nachzüglern der Regimenter in dichtem Wald oder in Gebirgspässen auf
und nahmen an dem Leben der Bezwungenen eine rohe Rache, ja, sie
überboten die Fertigkeit der Soldaten in Erfindung von Todesqualen.
4. Nach Kräften suchten sich die Dörfer vor der Raubgier der
Soldaten zu wahren. Auf die Kirchtürme und hohen Punkte der Flur
wurden Wachen gestellt, die ein Zeichen gaben, wenn Truppen in der
Ferne sichtbar wurden. Dann brachte der Landmann die Frauen und
Kinder und leicht bewegliche Habe eilig in einen entfernten Versteck. Solche
Verstecke wurden mit großem Scharfsinn ausgesucht, durch Nachhilfe uoch
unzugänglicher gemacht, und Wochen-, ja monatelang fristeten dort die
Flüchtlinge ihr angstvolles Dasein. Im schwarzen Moor zwischen Grüben,
Binsen und Erlengebüsch, in dunkler Waldschlucht, in alten Lehmgruben
und in verfallenem Mauerwerk suchten sie die letzte Rettung. Waren die
Soldaten abgezogen, dann kehrten die Flüchtlinge in ihre Häuser zurück
und besserten notdürftig aus, was verwüstet war. Nicht selten freilich
fanden sie nur eine rauchende Brandstätte.
5. Auch nicht alle, die geflohen waren, kamen zurück zur heimischen
Flur. Das wilde Leben im Versteck und Walde, die rohe Freude an
Gewalttat und Beute machte die Trotzigsten zu Räubern. Mit rostigen
Waffen versehen, führten sie ein gesetzloses Leben als Wilddiebe und
Wegelagerer.
6. So verminderte sich die Bevölkerung des flachen Landes mit
TM Hauptwörter (50): [T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T59: [Heer Mann Soldat Krieg Jahr Offizier Land König Truppe Waffe]]
TM Hauptwörter (200): [T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat], T155: [Soldat Krieg Heer Land Mann Truppe König Waffe Geld Feind], T13: [Baum Wald Feld Wiese Garten Gras Winter Mensch Sommer Haus], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind]]
460
ringerung des Wohlstandes ihres Dorfes hatten sie am meisten zu leiden.
Die Mehrzahl von ihnen verdient das Zeugnis, daß sie alle diese Gefahren
als echte Streiter Christi ertrugen. Die meisten hielten bei ihren Ge-
meinden aus bis zum letzten Mann. Ihre Kirche wurde verwüstet und
ausgebrannt, Kelch und Kruzifix wurden gestohlen, die Glocken vom Turm
geworfen und weggeführt. Da hielten sie den Gottesdienst in einer
Scheuer, auf freiem Felde, im grünen Waldversteck. Häufig waren sie
die ersten, welche von der Verwilderung der Dorfbewohner zu leiden
hatten; Diebstahl und frecher Mutwille wurden am liebsten gegen solche
geübt, deren zürnender Blick und feierliche Klage früher den meisten Ein-
druck gemacht hatten. Ihre Schicksale sind daher vorzugsweise kenn-
zeichnend für jene eifernen Jahre, und gerade von ihnen besitzen wir die
meisten Aufzeichnungen aus jener eisernen Zeil, oft in Kirchenbüchern,
denen sie ihr Leid klagten, während kein Mensch sie hören wollte.
Gustav Freytag.
259. Der Grotze Kurfürst und der französische Gesandte.
1. Eines Morgens hatte Friedrich Wilhelm auf der Jagd im Grune-
walde durch einen Eilboten die Nachricht erhalten, daß ein großer Zug
französischer Hugenotten in Berlin eingetroffen sei, um des Kurfürsten
Schutz anzuflehen, und daß der französische Gesandte gegen das Verbleiben
der Flüchtlinge Einspruch erhoben habe. Eiligst kehrte der Kurfürst nach
Berlin zurück. Kaum hatte er sich umgekleidet, so erschien der Gesandte,
Herr von Rebenac, und bat dringend um eine Unterredung. Der Kurfürst
erklärte sich bereit, ihn sofort zu empfangen. Bei seinem Eintritt in den
Empfangssaal grüßte ihn der Gesandte mit zierlicher Verbeugung.
2. „Sie kommen zu außergewöhnlicher Stunde, Herr Marquis,"
redete er den Gesandten an; „ich muß daher wohl annehmen, daß ein
besonderer Auftrag Ihres Königs Sie hierherführt."
„Die Weisheit Euer Durchlaucht hat, wie immer, das Richtige ge-
troffen," entgegnete Rebenac. „Seine Majestät König Ludwig Xiv. haben
mir Befehl erteilt, eine Unterredung bei Euer Duchlaucht nachzusuchen."
„Sie ist Ihnen bewilligt."
„Durchlaucht," nahm Rebenac das Wort, „mein Herr hat es für-
notwendig gehalten, jene Verordnung aufzuheben, die sein Vorfahr dereinst
zu Nantes zum Besten der Hugenotten erließ. Von dem Tage an suchten
diese Schutz in Deutschland, Holland und vor allem bei Euer Durchlaucht.
Massenhafte Auswanderungen fanden statt. Dieses Aufgeben des Vater-
landes ist wider meines Herrn Willen. Böte sich den aufrührerischen
Untertanen keine neue Heimat dar, sie würden sich geduldig dem neuen
Gesetze fügen. Aber die Aussicht auf den Schutz Euer Durchlaucht macht
die Leute kühn, und so wagen sie es, teils offen, teils heimlich Frankreich
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T86: [Kaiser Protestant Katholik Fürst Kurfürst Land Kirche Karl Reichstag Krieg], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T38: [Friedrich Wilhelm König Kaiser Iii Prinz Jahr Preußen Vater Sohn]]
TM Hauptwörter (200): [T65: [König Herr Soldat Offizier Vater Prinz Friedrich Majestät General Brief], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T154: [Meister Handwerker Geselle Arbeit Lehrling Handwerk Arbeiter Jahr Kaufleute Stadt], T26: [Kaiser Luther Papst König Wort Gott Tag Sache Fürst Schrift], T40: [Protestant Kaiser Kirche Katholik Reichstag Jahr Lehre Reformation Augsburger Land]]
Extrahierte Personennamen: Gustav_Freytag Gustav Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Marquis Rebenac Ludwig_Xiv Ludwig
Extrahierte Ortsnamen: Christi Berlin Berlin Nantes Deutschland Holland